Der Spanier Ignacio Cirac gilt als Wegbereiter der zweiten Quantenrevolution: Seine Arbeiten legten den Grundstein für wegweisende Experimente zu Quantencomputern und Quantenkryptographie. Nach München zog er, weil das Max-Planck-Institut in Garching, an dem er forscht und Direktor ist, „vermutlich der beste Ort auf der Welt ist, um Quantenphysik zu machen.“ Für die Deutschlandfunk-Sendereihe ‚Brain Gain‘ über ausländische Spitzenforscher in Deutschland habe ich den Quantenphysiker porträtiert.
Ignacio Cirac ist Anfang 50 und wirkt bescheiden und ein wenig zurückhaltend, wenn er Besucher in seinem Büro empfängt. Sich selbst in den Vordergrund zu spielen, liegt ihm offenbar nicht. Dabei hätte er eigentlich allen Grund dazu, bei all den Auszeichnungen, die er bekommen hat, und dem Ansehen, das er unter Wissenschaftlern genießt. Laut Google Scholar wurden Ignacio Ciracs Fachartikel bereits über 80 000 mal von anderen Forschern zitiert. Beeindruckende Zahlen für einen theoretischen Physiker, der Probleme primär mit Papier und Bleistift löst oder an dem riesigen, digital vernetzten Whiteboard in seinem Büro.
Seine Leidenschaft: Den Dingen auf den Grund gehen
„Mein Beruf ist meine Leidenschaft. Ich will Dinge wissen. Und wenn es etwas gibt, das ich nicht verstehe, will ich dem unbedingt auf den Grund gehen. Wenn ich bei einem Problem nicht weiterkomme, beschäftigt mich das selbst in meinen Träumen. Ich arbeite nicht acht oder zehn Stunden pro Tag, gehe dann nach Hause und lasse alles hinter mir. Ich denke ständig über die Dinge nach. Und ich genieße das wirklich.“
Physik und Mathematik faszinierten den Spanier schon früh. Als er in Madrid Physik studierte, entdeckte er dort seine Leidenschaft für die Quantentheorie und beschloss theoretischer Physiker zu werden. Heute zählt er zu den Einflussreichsten seines Faches.
„Während meiner Doktorarbeit in Spanien verbrachte ich einige Zeit an der Universität Innsbruck und traf dort Peter Zoller, mit dem ich seitdem intensiv zusammen gearbeitet habe. Als er dann in die USA wechselte, nach Boulder in Colorado, ging ich für meinen Postdoc auch dorthin.“
Der Österreicher Peter Zoller ist inzwischen schon lange Professor an der Universität Innsbruck. Er gilt als heißer Kandidat für den Physiknobelpreis, weil er wegweisende Beiträge zur Quantenoptik und Quanteninformation geleistet hat. Der 13 Jahre jüngere Ignacio Cirac war ziemlich oft daran beteiligt. Eine der meistzitierten Arbeiten des produktiven Autoren-Duos entstand 1995 in Boulder, Colorado.
„Als ich in Boulder ankam, befasste ich mich mit Quantenoptik. Eines Tages sagte Peter Zoller: ‚Vielleicht sollten wir uns mal mit Ionenfallen beschäftigen.‘ Denn im Labor nebenan experimentierte David Wineland damit, einer der weltweit führenden Experten für lasergekühlte Atome. Wir dachten also gemeinsam nach und machten ihm dann Vorschläge, was er künftig mal versuchen könnte.“
Für seine wegweisenden Experimente zu den Grundlagen der Quantenphysik bekam David Wineland 2012 den Physiknobelpreis. Bei Design und Auswertung seiner Versuche spielten Peter Zoller und Ignacio Cirac eine wichtige Rolle. Das berühmte Paper von 1995, in dem die beiden erklärten, wie man mit Ionenfallen einen Quantencomputer bauen könnte, legte den Grundstein für ein boomendes Forschungsfeld. Und es war der Kickstart für Ciracs Karriere.
„Viele Kollegen waren damals fasziniert, von den Möglichkeiten, die ein Quantencomputer bieten würde, aber keiner wusste, wie man einen bauen könnte. Wir machten einen Vorschlag, wie es gehen könnte. Und die Ionenfallen-Technologie war reif, um ihn kurz darauf zu testen. Das Timing war perfekt.“
Ignacio Ciracs Ideen haben seitdem immer wieder die Türen zu völlig neuen Forschungsfeldern aufgestoßen. Er lieferte wichtigen Input für die Theorie der abhörsicheren Kommunikation via Quantenkryptographie und gab – ebenfalls gemeinsam mit Peter Zoller – den Startschuss für das boomende Gebiet der Quantensimulationen. Nach seinem Postdoc in Boulder ging der Spanier zunächst zurück nach Innsbruck. Fünf Jahre war er dort Professor, dann machte ihm das Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte.
„Ich wusste: Das ist vermutlich der beste Ort auf der Welt, um im Bereich der Quantenphysik zu forschen. Ich habe an verschiedenen Universitäten gearbeitet, war längere Zeit in Stanford, in Harvard und am Caltech. Und nirgends habe ich ähnlich perfekte Bedingungen vorgefunden wie bei der Max-Planck-Gesellschaft. Ich denke, als Max-Planck-Forscher ist man wirklich privilegiert.“
In München fühlt sich Ignacio Cirac längst zuhause. Er spricht deutsch mit spanischem Akzent, ist verheiratet und hat drei Kinder. Obwohl er gern und viel arbeite, sagt er, lese er zwischendurch auch mal ein gutes Buch auf Spanisch, zum Beispiel von Mario Vargas Llosa. Außerdem mache er regelmäßig Sport.
„Ich liebe Fußball, aber inzwischen bin ich zu alt dafür.“
„Früher habe ich Tennis und Fußball gespielt. Ich liebe Fußball, aber inzwischen bin ich etwas zu alt dafür. Also gehe ich laufen oder mache Gymnastik. Mehrmals im Jahr gehe ich auch Skifahren in den Alpen. Meine Technik ist miserabel, aber ich habe Spaß dabei – was das angeht, bin ich ein typischer Spanier.“
Fragt man Ignacio Cirac, ob er einer der Wegbereiter der zweiten Quantenrevolution war, die der Welt schon bald ultraschnelle Quantencomputer und absolut abhörsichere Kommunikation via Quanteninternet bescheren dürfte, wiegelt er ab. Es sei einfach Zufall gewesen, sagt er, dass er Mitte der 1990er Jahre, als die Dinge ins Rollen kamen, am rechten Ort gewesen sei. Soviel Bescheidenheit ehrt. Aber natürlich hatte Ignacio Cirac – wie andere Spitzenforscher auch – schon früh den richtigen Riecher und beherzt aufs richtige Pferd gesetzt.
„Einigen von uns war schon bald klar, dass das, was wir machen, potenziell revolutionär ist, weil es große Auswirkungen auf die Wissenschaft haben könnte. Die Frage war nur: Wann wird das passieren? In 10, 20 oder 100 Jahren? Es war eine Wette auf die Zukunft. Weil wir das Potenzial erkannten, haben wir uns mächtig ins Zeug gelegt.“