Bundeskanzler Olaf Scholz hat den Bürgerinnen und Bürgern einen Aufbruch in ein Innovationsjahrzehnt versprochen. Im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition finden sich teils schon recht konkrete, teils noch recht vage Ideen, wie das gelingen soll. Hat die neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP die richtigen Stellschrauben im Visier? Darüber habe ich für den Deutschlandfunk mit Rafael Laguna de la Vera gesprochen, dem Gründungsdirektor und Chef der Bundesagentur für Sprunginnovationen SPRIND. Er sagt:
„Ich glaube, vieles, für was die SPRIND steht, auch die Entbürokratisierung der Innovationsfinanzierung und -förderung, ist so eine Art Sandkasten oder Reallabor für genau das, was Olaf Scholz da sagt.“
Es gehe darum, ein „positives Fortschrittsnarrativ zu entwickeln“, sagt Rafael Laguna de la Vera: „Man muss auch die Lust zum Aufbruch haben und diese verbreiten – um dann auch letztlich in die Umsetzung zu kommen.“
Ralf Krauter: Im Koalitionsvertrag finden sich ab Seite 19 fünf Seiten zu Innovation, Wissenschaft, Hochschule und Forschung. Hat die neue Regierung bei ihrer Zukunftsstrategie für die Themenfelder Forschung, Innovation, Transfer die richtigen Stellschrauben im Blick?
„Gute Forscher müssen es einfacher haben, an Geld zu kommen, um zu zeigen, was sie können.“
Ralf Krauter: Schauen wir uns ein paar Punkte genauer an. Im Koalitionsvertrag steht zum Beispiel: „Wir können unser Innovationspotenzial heben, wenn wir unsere Ressourcen effektiv bündeln und einsetzen.“ Andererseits steht auch drin, die universitäre Forschung soll künftig über ähnlich stetige Mittelzuwächse sich freuen dürfen, wie das bei großen Forschungsorganisationen und -einrichtungen schon seit Jahren der Fall ist. Ist das nicht ein Widerspruch, effizienten Ressourceneinsatz zu fordern, und dann Geld mit der Gießkanne zu verteilen?
Laguna de la Vera: Das eine muss nicht unbedingt was mit dem anderen zu tun haben. Ich glaube auch, dass es viel wichtiger wäre, dass wir die Art und Weise, wie Geld in die Forschung fließt, dramatisch entbürokratisieren, mehr Wettbewerb machen und auch mal Dinge aufhören. Das hat nichts mit mehr oder weniger Geld zu tun, sondern das hat was damit zu tun, dass man es guten Forscherinnen und Forschern einfach einfacher macht, ans Geld zu kommen, um zu zeigen, was sie können. Das heißt aber auch, dass, wenn was nicht klappt, man schneller damit aufhört. Dass an den Universitäten etwas passieren muss, insbesondere in der Finanzierung von den Jobs, die durchgängig durchfinanziert sein müssen, ist, glaube ich auch klar. Das ist aber nicht unbedingt in der Forschung selber, sondern vielleicht eher im Drumherum.
„Wenn etwas nicht klappt, sollte man schneller damit aufhören.“
Krauter: Die Koalitionäre haben sich vorgenommen, regionale und überregionale Innovationsökosysteme zu stärken. Wie kann das gelingen?
Laguna de la Vera: Also wir bei der SPRIND haben dazu Ideen. Was im Koalitionsvertrag explizit gemeint ist, weiß ich nicht, aber natürlich spielt das auch in die Transferorganisation DATI, über die wir ja gleich wahrscheinlich noch reden werden, rein, die das ja tun soll. Also wir halten sehr viel davon, sogenannte Grassroots-Bewegungen zu unterstützen. Es gibt ja an vielen Standorten in Deutschland bereits Innovationsfinanzierung, Ausgründungsfinanzierung, Exzellenzinitiativen, Clusterbildung und so was, die alle ihren Teil zur Förderung von Innovation beitragen. Dass man das vielleicht ein bisschen systematischer macht und auch gleicher alle Instrumente an allen Standorten zum Einsatz bringt, das halte ich für eine sehr gute Idee.
Regionale Grassroots-Bewegungen fördern
Krauter: Dann sprechen wir über DATI, Sie haben das Stichwort schon genannt, das soll eine staatliche Agentur für Transfer und Innovation werden, die soziale und technologische Innovation insbesondere im regionalen Umfeld der Hochschulen für angewandte Wissenschaft fördern soll, also jener Hochschulen, die früher mal Fachhochschulen geheißen haben. Wie müsste so eine Agentur organisiert sein, um langfristig Erfolg zu haben?
Laguna de la Vera: Wir bei der SPRIND haben mal vorgeschlagen, das Vorbild Y Combinator zu nehmen, welches aus den USA kommt, und an den Standorten der Fachhochschulen aber auch Universitäten, das muss sich gar nicht auf die Fachhochschulen beschränken, Anlaufstellen, Inkubatoren zu errichten, die mit Rat und Tat zur Seite stehen und vor allen Dingen auch ins Curriculum der Universitäten reinkommen, dass man den Studentinnen und Studenten früh beibringt, dass Entrepreneurship was Interessantes ist. Ich glaube, ein ähnliches Instrumentarium könnte auch bei der DATI gut zum Einsatz kommen, und ich könnte mir auch vorstellen, dass man so ähnlich denkt.
„Wir heben vielleicht fünf oder zehn Prozent des Potenzials“
Krauter: Was wäre da qualitativ dann wirklich neu zu Inkubationszentren, die es ja auch vielerorts schon gibt?
Laguna de la Vera: Also es gibt ja gute Beispiele, wie die UnternehmerTUM oder das, was im Land Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren passiert ist. Die muss man einfach aufgreifen und weiterentwickeln, fast zu einem Franchise-System, also überall da, wo es gut klappt, die Ideen quasi so ausrollen, dass sie in allen Standorten, Universitäten, aber auch der außeruniversitären Forschungseinrichtungen zur Verfügung stehen, denn da haben wir noch so viel Potenzial, und darum geht es ja auch bei der DATI. Also wir heben vielleicht fünf oder zehn Prozent des Potenzials, das zur Verfügung steht. Wenn wir das bundesweit so gut machen wie diese Leuchttürme, dann, denke ich, geht es voran.
Die Agentur für Sprunginnovationen – eine Blaupause für Entbürokratisierung
Krauter: Welchen Beitrag zum Aufbruch ins ausgerufene Innovationsjahrzehnt, in das uns Olaf Scholz führen will, wird denn die Agentur leisten können, deren Chef Sie sind, die SPRIND, die Agentur für Sprunginnovation?
Laguna de la Vera: Ich habe das Glück, schon seit zwei Jahren da zu sein und schon mal Anlauf genommen zu haben. Ich glaube, vieles, für was die SPRIND steht, auch die Entbürokratisierung der Innovationsfinanzierung und -förderung, ist so eine Art Sandkasten oder Reallabor für genau das, was Olaf Scholz da sagt. Ich glaube, wir können hier sehr viel Gelerntes der SPRIND umsetzen in wesentlich breiterem Rahmen, aber auch für die SPRIND selber, die ja auch explizit im Koalitionsvertrag erwähnt ist, die nächsten Schritte gehen.
„Wir versuchen auch, ein positives Fortschrittsnarrativ zu entwickeln.“
20-25 Prozent der vielversprechenden Projekte bekommen eine Anschubfinanzierung
Krauter: Ich habe mir mal die bisherige Erfolgsbilanz der SPRIND angeschaut, habe gelesen, 2020 haben Sie und Ihre Leute sich 440 Ideen genau angeschaut und kamen zu dem Schluss, dass zehn Prozent das Zeug zu echten Sprunginnovationen hätten, die also ganze Branchen umkrempeln könnten. Hätten Sie denn das Geld, die alle zu fördern?
Laguna de la Vera: Nein, hätten wir nicht. Wir sind mittlerweile, ein Jahr später, auch bei über 800, das heißt, der Trend hat sich fortgesetzt. Wir picken uns die raus, die Potenzial haben, da haben wir einen Kriterienkatalog von 90 Kriterien, und da bleiben dann eben so diese zehn Prozent übrig, von denen wir dann vielleicht 20 bis 25 Prozent anfinanzieren und dann bis heute sechs in eine Großfinanzierung überführt haben.
Da gibt es zwei Themen. Das eine ist: Die Menge des Geldes, die man zur Verfügung hat, bestimmt die Anzahl der Projekte, die man gleichzeitig machen kann. Und das andere ist: Die Finanzierungs- und Förderinstrumente, die man hat, bestimmen das Tempo, in dem man diese Förderung und Finanzierung an den Menschen bringen kann. Und an beiden Seiten, denke ich, müssen wir noch arbeiten. Die neue Regierung hat auch die Aufgabe, den Haushalt der SPRIND für die nächsten Jahre festzulegen. Der ist zwar für das kommende Jahr 2022 festgelegt, aber darüber hinaus noch nicht. Also das wird sicherlich jetzt ineinandergreifen in die Umsetzung des Koalitionsvertrags.
Umwelt und Energie als Leitthemen
Krauter: Dann schauen wir noch auf einige dieser von Ihnen als zukunftsträchtig erachteten Projekte, auf einige Sprunginnovationen. Unter anderem fördern Sie derzeit die Entwicklung eines neuartigen Alzheimer-Medikaments. Was sonst zählt noch zu den bereits gekürten Kandidaten?
Laguna de la Vera: Natürlich ist Umwelt ein großes Thema und Energie. Wir bauen ein Hochwindrad, was eine Nabenhöhe von über 300 Metern erreichen soll, womit wir in auch windschwachen Gebieten Wind ernten können und vor allen Dingen diesen recht günstig, wir hoffen, unter drei Cent pro Kilowattstunde, produzieren können. Ein anderes Thema ist die Reinigung von Mikroplastik aus den Gewässern, was gleichzeitig auch eine Plattformtechnologie für völlig neuartige, günstigere, chemiefreie Kläranlagen ist.