Schwarze Löcher, das Universum und wir
Sachbuch von Heino Falcke (Klett-Cotta-Verlag 2020)
Im April 2019 präsentierte ein internationales Team von Radioastronomen der staunenden Weltöffentlichkeit eine Sensation: Das erste ‚Bild‘ eines Schwarzen Lochs. Es erinnerte an Saurons Auge aus Herr der Ringe, war damals auf allen Titelseiten und wurde vom Fachmagazin Science zum wissenschaftlichen Durchbruch des Jahres gekürt. Im seinem Buch „Licht im Dunkeln: Schwarze Löcher, das Universum und wir“ erklärt Heino Falcke, einer der maßgeblich beteiligten Forscher, wie dieser Meilenstein der Astronomie gelang. Der aus Köln stammende Physiker ist Professor an der Radbout-Universität in Nijmwegen und sein Buch liest sich über weite Strecken wie ein Wissenschaftskrimi.
Falcke erklärt zunächst, was die Wissenschaft im Lauf der Zeit über die Existenz und Eigenschaften Schwarzer Löcher gelernt hat. Und schildert dann, wie er im Laufe seines Physikstudiums in den Bann dieser kosmischen Massemonster geraten ist. Und zwar so unaufhaltsam, dass er irgendwann die fixe Idee entwickelt: Man müsste so ein Ding doch mal irgendwie ablichten können.
Lange wurde er dafür belächelt, doch um 2000 wendete sich das Blatt allmählich – dank einer Technik namens Long-Baseline-Interferometrie. Dabei schalten Radioastronomen rund um den Globus große Antennen zu einer riesigen Teleskopschüssel zusammen. Heino Falcke und Kollegen kamen auf die Idee, acht große Radioteleskope zu einem gigantischen Event-Horizon-Teleskop verbinden, weil sie überzeugt waren: Wenn man die ganze Erde in ein Messinstrument verwandelt, müsste man damit so scharf ins All spähen können, dass die Schwarzen Löcher im Zentrum von Galaxien sichtbar werden. Genauer gesagt, der Ereignishorizont, der sie umhüllt und Radiowellen abstrahlt, wenn sie Materie verschlingen.
Was man bisher nur aus Computersimulationen und Kinofilmen kannte, wollte Heino Falcke sichtbar machen. In seinem Buch erzählt er, wie diese verrückte Idee Gestalt annahm und Wirklichkeit wurde. Er schildert, wie über Jahre das weltumspannende Konsortium geschmiedet wurde und wie die Fördermittel für das Mega-Projekt eingeworben wurden, unter anderem in Brüssel, beim Europäischen Forschungsrat. Und die Beschreibung der entscheidenden Messkampagne im Jahr 2017, die Heino Falcke selbst am Teleskop auf dem Pico de Veleta bei Grenada begleitete, und die monatelange Auswertung der Terabyte von Daten, die auf tausend Festplatten gespeichert wurden, liest sich so packend wie ein Thriller.
Ein toller, sehr persönlich gefärbter Erlebnisbericht von der Front der Astrophysik, der mit Blick auf den diesjährigen Physiknobelpreis für Reinhard Genzel und zwei weitere Jäger Schwarzer Löcher, zu rechten Zeit kommt. Wie die Ausgezeichneten auch, hat das Event-Horizon-Team das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße ins Visier genommen. Der Schnappschuss, der ihnen zu Weltruhm verhalf, glückte aber bei der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M87. In deren Zentrum befindet sich, wie wir jetzt wissen, ein Schwarzes Loch mit 6,5 Mrd Sonnenmassen dessen Ereignishorizont einen Durchmesser von 42 Mikrobogensekunden hat.
42. Wer Douglas Adams gelesen hat, weiß natürlich: Diese Zahl kann kein Zufall sein.
Was Stil und Sprache des Buchs angeht: Manchmal erinnert es doch stark an ein heroisches Heldenepos, vom Kampf an der vordersten Forschungsfront. Aber Heino Falcke schreibt auch viele kluge und tiefgründige Sätze wie: „Ein schwarzes Loch ist immer nur ein Schatten seiner selbst.“ Er beschreibt, warum man Schwarze Löcher als Orte des Jenseits im Dieseits ansehen kann. Und erklärt: „Wissenschaft ist immer ein Tango von Theorie und Experiment, bei dem mal das eine, mal das andere vorangeht.“
Fazit: Spannende und lehrreiche Lektüre für alle, die mehr über das Leben, das Universum und den ganzen Rest wissen wollen. Und das wollen wir ja eigentlich alle irgendwie.
Licht im Dunkeln
Schwarze Löcher, das Universum und wir
Von Heino Falcke, Klett-Cotta-Verlag, 377 Seiten, 24 Euro