Ottmar Edenhofer zieht Bilanz der Weltklimakonferenz #COP26

Nov. 16, 2021 | Beiträge, Beiträge 2021, Interviews, Radio

Prof. Ottmar Edenhofer ist der Chefökonom des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung. Nach Abschluss des Weltklimagipfels #COP26 in Glasgow habe ich ihn im Deutschlandfunk nach seiner persönlichen Bilanz der Verhandlungen gefragt. „Wir brauchen jetzt Geschwindigkeit“, sagt er. Die #COP26 sei von Anfang an mit großen Erwartungen überfrachtet worden.  Das habe der Konferenz nicht gut getan, weil sie den klimapolitischen Durchbruch, den viele erwartet haben, gar nicht liefern konnte.

„Misst man das Ergebnis der COP26 an den realistischen Erwartungen, war es einigermaßen zufriedenstellend.“

Ralf Krauter: Was waren aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Ergebnisse dieser 26. Weltklimakonferenz?

Ottmar Edenhofer: Das wichtigste Ergebnis ist, dass die Kohle es in das Abschlussdokument geschafft hat. Es ist jetzt zwar nicht ein Auslaufen der Kohle, aber zumindest eine reduzierte Nutzung. Das zweite ist, dass die umweltschädlichen Subventinen genannt worden sind, dass man die also abbauen will. Ich glaube, im Umfeld der COP war es nicht unwichtig, dass es zwischen China und den Vereinigten Staaten zu einer Art Hand-Shake gekommen ist. Das kann man diplomatisch gar nicht hoch genug einshätzen – weil eben die Augenhöhe mit den USA für die Chinesen enorm sichtbar war. Und darauf kann man aufbauen, um über bi- und trilaterale Abkommen weiter zu reden.

Ich glaube auch, dass es im Umfeld der COP eine Reihe von wichtigen Vereinbarungen gab: China hat zum Beispiel angekündigt, im Ausland keine Kohlekraftwerke mehr fördern zu wollen. Es hat von der asiatischen Entwicklungsbank eine Ankündigung gegeben, dass man Kohlekraftwerke aufkaufen und stilllegen will. Damit ist zumindest das Auslaufen der Kohle in Sichtweite gerückt.

„Man kann sagen: Da ist eine Tür geöffnet worden. Aber die Weltgemeinschaft ist noch nicht durch diese Tür gegangen.“

Ralf Krauter: Um die Formuierung zum Kohleausstieg gab es Zwist, die wurde auf den letzten Metern nochmal verwässert – auf Betreiben von Indien und China. Die Kohleverstromung soll jetzt offiziell nicht auslaufen, sondern nur reduziert werden – im Englischen wurde aus ‚phase-out‘ die Formulierung ‚phase-down‘. Wie wichtig ist so eine Formulierungsnuance letztendlich mittelfristig gesehen für die globale Klimapolitik?

Ottmar Edenhofer: Das ist schwer zu sagen. Solche diplomatischen Formulierungen bedeuten natürlich etwas. Und viele haben jetzt die Hoffnung, dass aus dem ‚Phase-Down‘ zu einem späteren Zeitpunkt ein ‚Phase-Out‘ wird. Es ist aber wichtig, nochmal folgendes festzuhalten:

„Wenn wir die Tür zum 1,5-Grad-Ziel offen halten wollen, dann hat Kohle in der Mitte des Jahrhunderts einfach keinen Platz mehr.“

Und auch in Indien muss die Kohlenutzung drastisch zurückgefahren werden. Und es ist auch klar, dass Indien massive Probleme hat, aus der Kohlenutzung auszusteigen. Das hat viel damit zu tun, dass die Strommärkte in staatlicher Hand sind. Das hat viel damit zu tun, dass da viele Arbeitsplätze dranhängen. Das ist ein sehr sehr komplizierter Weg den Indien da gehen muss. China auch, aber Indien hat da sicher den schwersten Weg vor sich. Natürlich wollte man da jetzt aus indischer Sicht kein Versprechen abgeben, an dem man dann später so gemessen werden kann, dass später dann die Finger auf einen gezeigt werden. Also das ist schon eine wichtige Sache. Aber es ist wichtig darauf hinzuweisen:

„Für die Kohlenutzung bleibt bei ambitionierten Klimazielen kein Platz mehr und wir müssen jetzt mit dem Kohleausstieg beginnen.“

Was mich ganz hoffnungsvoll stimmt, ist, dass kleiner Länder wie Vietnam und Indonesien immerhin diesem Kohleausstieg zugestimmt haben.